
Messen sind immer ein kolossaler Ausnahmezustand im Vergleich zu meinem sonstigen Alltag. Diesen verbringe ich in ruhiger Einsamkeit im Büro am Rechner (vormittags) und in dynamischer Geschäftigkeit mit der Familie (nachmittags). Deshalb dauert es nach den Messen immer ein paar Tage, bis ich vollständig in meinen alten Rhythmus zurückgefunden habe. Ohnehin ist es dann so, dass ich zuerst berufliche Aufgaben erledige. Als freie Mitarbeiterin des dead soft verlags fällt (u. a.) die Social Media-Koordination in meinen Aufgabenbereich. Der offizielle Verlagsmessebericht, den ich inzwischen geschrieben habe, findet sich auf der dead soft-Website.

Und wieder einmal frage ich mich, habe ich nicht ohnehin alles erzählt? Was soll ich jetzt noch berichten? Ist mein persönlicher Blick auf das Geschehen überhaupt von Interesse? Ihr seht, ich bin ein wenig müde und immer noch im Griff des „Post-Messe-Blues“. Eine subtile Form von Wehmut, weil ein Ereignis, auf das man sich so lange freut, das man – ist es endlich soweit – genießt, es so schnell vorbei ist und man erneut Abschied nehmen muss. Denn genau das macht den Reiz dieser Messen für mich aus: Man trifft Menschen, die sonst nicht greifbar sind, weil sie viel zu weit weg wohnen.

Um etwas mehr Struktur in diesen Bericht zu bekommen, konzentriere ich mich auf die einzelnen Tage:
Donnerstag, 17.11.2016
Es fing bereits mit Nervenkitzel an. Mein Mann brachte mich nach Würzburg zum Bahnhof. Das ist eine Strecke, für die man im Normalfall 45 bis 50 Minuten braucht. Nicht an diesem Morgen. Wir benötigten 1 Stunde und 20 Minuten. Zum Glück bin ich ein vorsichtiger Mensch und hatte genug Puffer eingebaut, sodass ich trotzdem noch meinen Zug erwischte.
In Ibbenbüren am Bahnhof holte mich Simon ab. Als Verleger des dead soft verlags seines Zeichens natürlich mein Chef, aber inzwischen auch ein sehr guter Freund, sodass das Wiedersehen für mich eine große Freude war. Zusammen beluden wir das Auto mit den bereits perfekt vorbereiteten Bücherkisten, gingen noch ein letztes Mal die Packlisten durch, versuchten an vergessene Kleinigkeiten zu denken.
Natürlich durfte ich die Baustelle besichtigen. Der Umbau des neuen Verlagsgebäudes lässt Vielversprechendes erwarten. Man kann jetzt schon erkennen: Das wird schön. Und auch dringend nötig. Das alte Bücherlager quillt über, selbst in Simons Büro ist bald kein Durchkommen mehr. Prinzipiell ein erfreuliches Zeichen, zeigt es doch deutlich sichtbar, dass der Verlag wächst.

Freitag, 18.11.2016
Nach einer erholsamen Nacht, die ich in Simons Gästezimmer verbringen durfte, und einem gemütlichen Frühstück (vielen Dank an Micha fürs Brötchenholen!) starteten wir gutgelaunt Richtung Berlin.
Inzwischen wissen wir längst Bescheid, dass das Navi sehr optimistisch rechnet, wir aber trotzdem für diese Strecke sechs Stunden brauchen. Die uns allerdings niemals so lange vorkommen, denn im angeregten Gespräch verfliegt die Zeit regelrecht. Da die Buch Berlin bisher jedes Mal an einem anderen Ort stattfand, blieb auch diesmal die Anfahrt spannend, weil eben neu. Das Estrel-Hotel in der Sonnenallee war das Ziel. (Wir haben es ohne Probleme gefunden.)
Ohnehin war diesmal alles anders, da sich zur Buchmesse auch noch die Queer Convention gesellte, für deren Organisation und Ablauf wir mitverantwortlich waren. Sie fand im Raum V statt, den wir bereits ab 17 Uhr betreten konnten. Dort trafen wir auch auf Julia Schwenk (Verlegerin des Cursed Verlags), die ebenfalls zum Orga-Team rund um die Convention gehörte. Das Vorbereiten des Raums und vor allem das Packen der Con-Bags (mit Goodies der Sponsoren) stand an. Zahlreiche liebe Menschen (Autoren, Leser, Mitarbeiter der Verlage) haben sich unaufgefordert eingefunden und mitgeholfen. Das war wunderbar und ruck-zuck war die Arbeit erledigt.
Wir parkten das Auto um und konnten endlich einchecken. Erwähnenswert ist sicher das Ausmaß dieses Hotel- und Messekomplexes: riesig. Wir haben an diesem Wochenende ausreichend etwas für unsere Fitness getan und kilometerweite Strecken zurückgelegt.
Nach einem leckeren Abendessen in einem der hotelinternen Restaurants (die Lobby ist gigantisch!), durften wir ab 21 Uhr endlich in den Messesaal. Auch hier standen uns einige dead soft-Autoren unaufgefordert zur Seite und haben bei Aufbau des Standes geholfen. Großartig. Das ist keine Selbstverständlichkeit und umso mehr freut uns dieser Zusammenhalt. Gegen 23 Uhr waren wir fertig. Zufrieden und müde begaben wir uns auf unsere Zimmer. Schöne Sache, wenn sich Messesaal und Hotelzimmer im gleichen Gebäudekomplex befinden. Wir waren froh, nicht mehr mit dem Auto durchs nächtliche Berlin fahren zu müssen.


Samstag, 19.11.2016
Das Frühstücks-Buffet des Estrel-Hotels überforderte in seiner Reichhaltigkeit beinahe. Alles war sehr lecker und wir hatten reichlich Zeit eingeplant. So ein wichtiger Tag sollte nicht in Hetze beginnen. Außerdem war uns bewusst, dass es bis zum Abend die einzige Mahlzeit bleiben würde. Aus Erfahrung wissen wir, dass auf den Messen so viel los ist, dass das Mittagessen ausfällt.
Neu war diesmal, dass Simon und ich uns aufteilen mussten. Er hat die Betreuung des dead soft-Stands auf der Messe übernommen und ich war eingeteilt als Koordinator und Ansprechpartner auf der Queer Convention. Die Räumlichkeiten lagen leider so weit auseinander, dass ein kurzer Abstecher zum jeweils anderen Schauplatz nicht möglich war.
Vom Messegeschehen habe ich diesmal leider kaum etwas mitbekommen, was ich sehr bedauert habe. Das fehlte mir sehr. Auch hat es meine Möglichkeiten zum Austausch mit meinen Autorenkollegen, den dead soft-Lektoren und Übersetzern und auch den Lesern eingeschränkt.
Das Programm der Convention war sehr eng getaktet, sodass ich mit Bühnenauf- und abbau und dem im Auge behalten eines reibungslosen Ablaufs gut eingespannt war. Alles hat super geklappt, es gab keine Pannen und hat auch Spaß gemacht. Doch ich hätte insgesamt gerne mehr Zeit für Gespräche gehabt.
Das Convention-Programm war eine bunte Mischung aus professionellen Vorträgen, angenehmen Lesungen und interessanten Panels. Ich habe einiges gelernt und Neues erfahren. Fachlich war für mich persönlich die Convention eine Bereicherung.
Als Vertreter des dead soft verlags habe ich auf dem Podium an drei verschiedenen Panels (zwei am Samstag, eins am Sonntag) teilgenommen. In meiner Eigenschaft als Pressesprecher und Eingangslektor des Verlags verfügte ich über ausreichend Wissen, um diese Aufgabe übernehmen zu können. Dank ausgezeichneter Moderatoren und guten Fragen aus dem Publikum war das eine tolle Erfahrung. Für mich ebenso interessant die Antworten meiner Kollegen auf der Bühne. Ich war also Zuschauer und Akteur gleichermaßen.
Den Abend haben wir in kleiner und gemütlicher Runde wieder in einem der Hotelrestaurants verbracht. Es ging lustig zu, aber wir haben darauf geachtet, nicht zu spät ins Bett zu gehen. Wir wollten schließlich auch noch fit für den Sonntag sein.



Sonntag, 20.11.2016
Vom Ablauf her war der Sonntag dem vorhergegangenen Tag sehr ähnlich. Erwähnen möchte ich noch, dass wir für diese beiden Tage auf der Convention einen Techniker zur Seite gestellt bekommen haben, der sich geduldig um den reibungslosen Ablauf bei der Benutzung von Beamer und Mikrofonen kümmerte. Insgesamt war das Hotelpersonal sehr gut geschult, schnell, freundlich und sehr zuvorkommend. Wir fühlten uns gut aufgehoben.
Die Queer Convention war mit über 130 Teilnehmern sehr gut besucht. Das Interesse hat uns gefreut, die Teilnahme an den einzelnen Programmpunkten war durchweg gut. Die Buch Berlin war diesmal erneut angewachsen, bot zusätzlichen Ausstellern Fläche und lockte auch mehr Besucher an, als in den Jahren davor. Insgesamt waren wir mit dem Wochenende sehr zufrieden.
Am Abend bauten wir (wieder mit Hilfe einiger Autoren) den Stand flugs ab und verstauten die noch übriggebliebenen Bücher im Auto. Nach einem Abendessen im ganz kleinen Kreis trafen wir uns noch mit ein paar anderen in der Hotellobby auf einen Messeabsacker. Bis Mitternacht haben wir uns angeregt unterhalten und viel gelacht. Und ich habe tatsächlich zum allerersten Mal in meinem Leben eine Berliner Weiße mit Schuss (Waldmeister) getrunken. *lach*



Montag, 21.11.2016
Nach dem Frühstück checkten Simon und ich aus und machten uns auf die Rückreise nach Mettingen zum Verlagsgebäude. Die sechs Stunden Fahrt reichten gerade so, um uns gegenseitig auf einen aktuellen Wissensstand zu bringen. Wir hatten einiges auszutauschen, da wir ja an den beiden Tagen ganz unterschiedliche Dinge erlebt haben. Nach der Ankunft konnten wir noch gemeinsam das Auto ausleeren, einen Kaffee trinken und dann hieß es schon Abschied nehmen. Simon brachte mich zum Bahnhof, die Fahrt zurück war entspannt, mein Mann holte mich in Würzburg ab und um 22:45 Uhr war ich nach einem ereignisreichen Wochenende müde und mit tausend Eindrücken angefüllt wieder zu Hause.
Nach der Messe ist vor der Messe und so freue ich mich jetzt schon auf die LBM im März 2017. Auch bei der 4. Buch Berlin im November 2017 werden wir mit dabei sein. Ob es auch eine 2. Queer Convention geben wird, entscheidet sich vermutlich innerhalb der nächsten Wochen, wenn alle Eindrücke, Fakten und Gegebenheiten gesichtet und abgewogen wurden. Zeitgleich zwei Veranstaltungen zu stemmen, kostet Kraft. Von der doppelten Belastung in der Vorbereitung und Organisation gar nicht zu reden. Zumal die Queer Convention eine Non-profit-Veranstaltung war und alles in ehrenamtlichem Engagement geschehen ist.
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