Ich bin der King!

 

Fuck, fuck, fuck! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich starre in den Spiegel, klammere mich am Waschbeckenrand fest. Ich bin nie nervös, habe es einfach nicht nötig. Ich bin der King! Ich sehe gut aus mit meinen blonden, kurzen Haaren und den megablauen Augen, habe das, was man ein klassisches Profil nennt. Dazu einen geilen Body, gestählt durch regelmäßigen Sport, sonnengebräunte Haut. Die Chicas stehen Schlange, ich kann im Prinzip jede haben. Ich bin beliebt, bin Schülersprecher, Mannschaftskapitän beim Handball, Vorsitzender in der Schülerzeitung, wenn ich was sage, hört man mir zu. Und jetzt das. Ich fasse es nicht! Ich schaue meinem Spiegelbild zu, wie es den Kopf schüttelt.

 

Jemand klopft an die Badezimmertür, ich zucke zusammen.

„Hey, Yannick, alles klar bei dir? Oder bist du ins Klo gefallen?“ Viel zu lange bin ich schon im Badezimmer, kein Wunder, dass Gabriel mich suchen kommt. Mein Blick fällt auf den Roman auf dem Fensterbrett neben der Toilette.

„Ich komme gleich! Kann ich mir den Rosamunde Pilcher-Roman auch ausleihen? Bin nicht fertig geworden damit.“ Die dummen Sprüche kommen quasi von allein aus meinem Mund, ein Automatismus, über den ich mich in diesem Moment ärgere. Ich möchte ganz andere Dinge sagen. Gabriel lacht. Mein Herz klopft schneller. Ich wasche mir noch einmal die Hände, die schon wieder begonnen haben zu schwitzen. Ich werde mich nicht mehr länger drücken, ich bin doch kein Lappen! Jetzt oder nie.

 

Als ich die Tür aufschließe, ist der Gang leer. Gabriel ist in sein Zimmer zurückgekehrt. Sachte drücke ich die Klinke an seiner Tür. Ja, da sitzt er, auf dem Bett über ein Buch gebeugt. Seine dunklen Haarsträhnen sind ihm ins Gesicht gerutscht, verdecken seine Augen. Ich setze mich zu ihm, er schaut nur kurz auf.

 

„Na, ausgepilchert?“ Gabriel schmunzelt, blättert eine Seite um, sucht weiter nach der richtigen Textstelle, die wir für unsere Hausarbeit brauchen.

„Wir… ich…, also ich muss mit dir reden“, stottere ich. Gabriel schaut mich jetzt aufmerksam an, schiebt eine Haarsträhne hinter sein Ohr. Er muss den Ernst in meiner Stimme bemerkt haben, denn er runzelt die Stirn.

„Was ist los, Yannick?“, fragt er mich, seltsam tonlos. Ich fahre mit meinen Händen über die Jeans auf meinen Oberschenkeln. Sie sind schon wieder feucht, so viel Schiss habe ich vor dem, was ich gleich sagen werde. Vor der Reaktion von Gabriel.

„Ich weiß nicht, ob es klug ist, aber ich muss es dir jetzt sagen. Auch wenn ich … unsere Freundschaft, also, die ist mir sehr wichtig und … vielleicht wäre es besser … aber ich kann einfach nicht …“ Ich hole tief Luft, bin genervt von meinem Gestammel, Gabriels Blick wird immer fragender.

„Ich habe mich in dich verliebt, Gabriel.“ So, jetzt ist es raus.

 

Ich habe mir versucht vorzustellen, wie Gabriel reagiert. So nicht. Er sitzt mit weit aufgerissenen Augen vor mir. Das Buch rutscht ihm aus der Hand, fällt polternd zu Boden. Wir beachten es beide nicht, starren uns an. Ich sehe, wie Gabriel schluckt, mühsam, als würge ihn etwas im Hals. Kälte breitet sich in mir aus, lähmt mich, meine Glieder, meine Zunge, aber nicht meine Gedanken. Sie rasen. In Panik stürzen sie in alle Richtungen, prallen gegen die Schädeldecke, fallen übereinander, verheddern sich. Unfähig mich zu bewegen sehe ich zu, wie Gabriel aufsteht und ans Fenster geht. Er lehnt sich gegen den Rahmen und schaut hinaus in den Garten. Im Zimmer ist es still. Als hätte die Kälte in mir alle Geräusche eingefroren. Vielleicht sind es auch meine Ohren, die tot sind. Denn leblos, ohne jede Energie, so fühle ich mich. Nach einer Ewigkeit, in der Gabriel sich keinen Millimeter gerührt hat, schaffe ich es endlich, mich vom Bett hochzustemmen. Mein Hals ist wie zugeschnürt, ich bin kurz davor zu heulen. Ich habe alles kaputt gemacht! Mit unsicheren Schritten gehe ich zur Tür. Meine Hände sind eiskalt, aber ich spüre heiße Flecken auf den Wangen. Als hätte ich Fieber, aber es ist die Scham. Die Scham darüber, dass ich unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt habe. Und warum? Weil ich mehr wollte, alles!

 

„Yannick?“ Gabriel spricht meinen Namen wie eine Frage aus. Ich muss mich räuspern, ehe ich antworten kann.

„Ich … es tut mir leid. Vergiss, was ich gesagt habe.“ Ich rede Blödsinn und weiß es. Als ob Gabriel das vergessen könnte! Es wird ab jetzt immer zwischen uns stehen.

„Bitte bleib!“ Mit raschen Schritten tritt Gabriel vor mich, drückt gegen die Tür, um mich am Öffnen zu hindern. Ich starre auf meine Fußspitzen, kann ihm nicht ins Gesicht sehen. Mit den Fingerkuppen streicht er mir sanft über die Wange. Ich bin verwirrt, mein Herz macht einen Satz und klopft nicht, sondern galoppiert.

 

„Du hast mich kalt erwischt, Yannick. Ich bin überfordert. Weißt du, dass ich mir seit drei Jahren nichts anderes wünsche, als dass du genau diese Worte zu mir sagst? Und seit drei Jahren kämpfe ich gegen diesen Wunsch an, weil ich weiß, dass es nicht passiert. Und jetzt …“ Seine Stimme zittert. Überrascht schaue ich nun doch hoch. In Gabriels dunkelbraune Augen, auf seine Lippen, die ich schon so lange kenne und die trotzdem völlig neu für mich sind. Sie kommen näher, die Kälte in meinem Körper weicht einer Hitze, wie ich sie noch nie gefühlt habe. Ganz leicht berührt er meinen Mund. Es ist ein Hauch, kein Kuss. Schon wieder fühle ich mich wie gelähmt, bin reduziert auf diese eine Stelle an meinem Körper, die Gabriel erneut mit seinen Lippen berührt. Es ist eine weiche Geste, behutsam und doch fährt ein Blitz durch meinen Körper. Ich spüre Gabriels Hand in meinem Haar, er streichelt hindurch, lässt sie in meinem Nacken liegen. Sein Mund wird fordernder, längst küsse ich zurück. Ich küsse einen Jungen, schießt es mir durch den Kopf. Seltsam und gleichzeitig verwegen kommt mir das vor. Und irgendwie richtig. Ich habe schon oft herumgeknutscht, aber so intensiv habe ich die Nähe noch nie empfunden. Warm und feucht streift Gabriels Zunge meinen Mundwinkel. Sofort öffne ich meine Lippen, begierig darauf, ihn einzulassen. Als unsere Zungen sich treffen, werde ich hart. Verlangen überrollt mich, eine Gier, die mich erschreckt. Endlich kann ich mich wieder bewegen, ich lege meine Arme um Gabriel, streiche über seinen Rücken, ziehe ihn näher an mich heran.

 

Ich habe keine Ahnung, wie lange wir uns küssen, doch irgendwann lösen wir uns voneinander. Wahrscheinlich einfach nur, um nicht zu ersticken. Aber eigentlich möchte ich nicht aufhören. Ich will noch so viel mehr von Gabriel, bin so erregt, dass ich zittere. Unsicher, was er wohl vorhat, schaue ich ihn an. Er schiebt mich beiseite, dreht mit einer energischen Geste den Schlüssel herum. Dann schaut er mich abwartend an. Endlich begreife ich! Auch Gabriel ist befangen, weiß nicht so recht, was er tun soll. Ich lasse meine Augen kurz über seinen Körper wandern. An der verräterischen Beule in seiner Hose verharrt mein Blick. Übermut schießt durch meine Blutbahn. Ich nehme seine Hand und ziehe ihn Richtung Bett. Ehe mich meine Unsicherheit wieder einholt, greife ich nach seinem T-Shirt und versuche, es ihm auszuziehen. Gabriel ist ein wenig größer als ich und ich stelle mich ungeschickt an. Schließlich hilft er mir dabei. Wir lachen, wohl mehr aus Verlegenheit, als dass es lustig ist, aber es dämpft die Unsicherheit.

„Du auch“, verlangt Gabriel und auch mein T-Shirt fällt zu Boden. Wir mustern uns, obwohl es nichts gibt, was wir nicht schon längst gesehen hätten. Aber nicht so, mit diesem hungrigen Blick, mit dem Verlangen, die bloße Haut zu berühren. Ich lege beide Hände auf seine Brust, genieße die Wärme, gleite unter den Achseln hindurch auf seinen Rücken und drücke Gabriel zu mir her. Ich will ihn spüren, Brust an Brust, brauche die Nähe, will ihn nicht nur sehen, sondern fühlen, riechen und schmecken. Seine langen Haare kitzeln mich an der Nase, ich atme tief ein, küsse ihn unterhalb des Ohrläppchens auf die zarte Haut, die er dort hat. Gabriel lässt mich machen, ich denke, es gefällt ihm. In einer Spur aus Küssen gelange ich in seine Halsbeuge, Gabriel seufzt. Ich lecke und sauge an dieser Stelle, erst zaghaft, aber als ich merke, dass Gabriel schneller atmet, werde ich mutiger. Die Stelle werde ich mir merken! Als ich Gabriel dort zart beiße, ist eine Grenze erreicht. Er drückt mich weg, hält mich aber an den Oberarmen fest. Seine Wangen sind ganz rosig. Ehe ich weiß, wie mir geschieht, beugt Gabriel sich vor und umschließt meine linke Brustwarze mit dem Mund. Ich weiß nicht genau, was er macht, lutschen oder beißen oder beides, aber ein Zucken durchfährt mich und fährt unmittelbar in meinen Schwanz. Gabriel lässt nicht von mir ab, ich kann nicht anders und stöhne auf. Himmel! Ich wusste bis heute nicht, dass ich da so empfindlich bin! Keine meiner Exfreundinnen hat sich jemals für meine Nippel interessiert. Gabriel richtet sich auf, hinterlässt einen feuchten Fleck auf meiner Brust, ich spüre den Hauch, als er an mir vorbei geht.

 

„Ich mach mal besser Musik an, so laut wie du bist!“, sagt Gabriel und grinst mich unverschämt an. Na warte! Coldplay ertönt, aber ich interessiere mich gerade für was ganz anderes. Gabriel öffnet seine Hose.

„Ziemlich eng“, sagt er und zieht die Jeans nach unten. Ich muss schlucken und kann meinen Blick nicht losreißen. Er trägt schwarze Pants, die ziemlich gut ausgefüllt sind. Ich habe Gabriel schon mal nackt gesehen, klar, beim Duschen nach dem Sport, aber erstens schaut man da nicht so genau und zweitens hatte er da keinen Ständer. Dass ich der Auslöser für seine Erregung bin, macht mich an. Definitiv. Meine Hose ist auch längst zu eng. Schmerzhaft eng. Ich brauche zwei Anläufe, ehe ich den Knopf aufbekomme. Keine Ahnung, ob ich vor Geilheit oder Nervosität zittere. Denken kann ich schon eine ganze Weile nicht mehr. Mein Mund ist trocken. Wie Gabriel ziehe ich auch meine Socken aus, setze mich dazu aufs Bett. Ehe ich wieder aufstehen kann, ist Gabriel bei mir, drückt mich in eine liegende Position. Er kommt zu mir ins Bett, beugt sich über mich und küsst mich. Ich schließe die Augen und genieße.

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Kommentare: 3
  • #1

    Blackcat007 (Montag, 03 Februar 2014 22:05)

    Das ist ein echt schöner text! :)
    Der Schreibstil gefällt mir total gut - man ist unmittelbar bei Yannick, was den Text an sich so fesselnd macht!
    Und besonders Yannick, aber auch Gabriel wirken wie zwei Personen, die man gerne durchs Leben begleitet (Rosamunde Pilcher - ich mag den Humor und die Schlagfertigkeit von beiden ;D ... und Yannnicks gesundes Selbstbewusstsein!)
    Ich würde definitiv gerne mehr über und von beiden lesen!! :D

    Ganz liebe Grüße, Blackcat ^_^

  • #2

    Phoenix (Montag, 03 Februar 2014 22:08)

    Fängt ja interessant an. Geht die Geschichte noch weiter? Ich würde gerne die ganze Geschichte lesen.

  • #3

    schuster-claudia (Montag, 03 Februar 2014 22:27)

    Ursprünglich wollte ich nur eine Kurzgeschichte schreiben, doch die Figuren haben mich so in Beschlag genommen, dass mehr daraus wird. Fertig bin ich allerdings noch nicht, doch das Interesse an Yannick und Gabriel beflügelt. :-D
    Vielen Dank für eure Kommentare! Ich freue mich sehr! <3